Reisebericht Skandinavien 2023

Spätsommer im Norden – Eine Reise durch Dänemark, Schweden und Norwegen

Manchmal beginnt eine Reise nicht mit dem ersten Schritt, sondern mit dem ersten Atemzug kühler Morgenluft über dem Rollfeld. Am 5. September 2023 hoben wir – Stefanie, Luca und Kai – vom kleinen Flughafen in Weeze ab, dem Norden entgegen. Unser Ziel: Skandinavien. Ein Fleckchen Erde, das Geschichten in Moos bettet, Nebel über Seen zieht und verlassene Orte nicht vergisst, sondern bewahrt.

Fünf Tage, drei Länder, unzählige Eindrücke. Dänemark empfing uns mit Küstenwind und urbaner Gelassenheit, Schweden mit endlosen Wäldern und verwaschener Melancholie. Norwegen schließlich – wild, still, majestätisch. Eine Reise, die nicht laut war, aber lange nachhallt.

Tag 1-2

Von schlaflosen Nächten, Zeitsprüngen und zahllosen Mücken

Kaum war der letzte Ton des Zeltfestivals Ruhr verklungen, verstauten wir unser Kameraequipment im Kofferraum, warfen einen letzten Blick über das Festivalgelände und machten uns auf den Weg nach Weeze. Kein Durchschnaufen. Kein Übergang. Stattdessen direkt rein ins nächste Kapitel: Skandinavien.

Spätabends landeten wir in Kopenhagen. Die Lichter der Stadt blinkten uns müde entgegen, aber für uns war klar – kein Halt. Noch in der Ankunftshalle holten wir unseren Mietwagen, deckten uns mit dänischen Snacks ein und nahmen Kurs auf Schweden. Unser Ziel: tief im Westen des Landes, kurz vor der norwegischen Grenze – der Autofriedhof Bastnäs.

Bastnäs, nahe dem See Vänern, ist einer der bekanntesten Autofriedhöfe Europas. Auf einem abgeschiedenen Waldstück nahe Töcksfors verwittern über 1.000 Fahrzeuge, vorwiegend aus den 1940er bis 1960er Jahren. Angelegt wurde das Gelände von den Brüdern Rune und Tore Ivansson, die dort einst Ersatzteile für Exportmärkte abbauten. Heute ist Bastnäs ein surrealer Ort – eine Zeitkapsel aus Blech, Moos und Vergangenheit.

Nach fast 600 Kilometern Fahrt erreichten wir das Gelände im Morgengrauen. Die Sonne kroch langsam über die Baumwipfel, während wir die Drohne starteten und den stillen Atem des Morgens einfingen. Zwischen den verrosteten Karosserien und geborstenen Scheinwerfern fanden wir nicht nur faszinierende Motive, sondern auch Sommerpilze, die sich in leuchtenden Farben durch den Waldboden drückten – Natur und Verfall, Seite an Seite. Ein Bild, das hängen bleibt.

Doch die Ruhe hatte ihren Preis: ein Schwarm aus tausenden Mücken fiel über uns her. Skandinavische Stechlust trifft auf fotografisches Durchhaltevermögen – wir hielten durch. Der Ort war zu stark, zu bedeutend, um ihn sich nehmen zu lassen.

Nach Stunden zwischen rostigen Legenden und stillen Fragmenten der Zeit machten wir uns auf den Weg Richtung Oslo. Die Strecke – ein endloser Film aus Fjorden, Wäldern und spiegelglatten Seen. Skandinavien im Spätsommer ist ein visuelles Gedicht: Farben, die zwischen Spätsommergrün und beginnendem Herbstgold tanzen, Dörfer wie gemalt, Felsformationen, als hätte ein Bildhauer sie in die Landschaft gelegt.

Auf dem Weg fanden wir nicht nur eins, sondern zwei weitere verlassene Farmhäuser, versteckt in den weiten Landschaften Norwegens. Eines davon – eine verwitterte Holzscheune mit angeschlossener Wohnstube – beherbergte eine verlassene Kutsche, wie aus einem anderen Jahrhundert. Zeit stand still. Der Geruch von altem Holz, die stille Weite – eine Szene wie aus einem vergessenen Märchen.

Am Abend erreichten wir Oslo. Noch aufgeladen von all den Eindrücken besuchten wir das Norsk Folkemuseum, eines der größten Freilichtmuseen Europas. Es umfasst über 150 historische Gebäude aus allen Regionen Norwegens – darunter Bauernhöfe, Fischerhütten, Stadtwohnungen, Scheunen und Speicher. Das Highlight: die Gol Stabkirche, ein sakraler Holzbau aus dem 13. Jahrhundert, dessen geschnitzte Drachenköpfe und kunstvoll verzierte Giebel einen tiefen Einblick in die mittelalterliche Spiritualität der Nordländer geben.

Unser Tag endete schließlich in einem kleinen, idyllischen RBNB, irgendwo zwischen Wald, See und norwegischer Gelassenheit. Die Stille war nicht leer, sondern bedeutungsvoll. Sie ließ all das Geschehene nachwirken – als würde Skandinavien selbst seine Geschichten noch einmal leise wiederholen.

Facts about scandinavia

Tag 3

Drehorte, Zimtschnecken und Serienrealität

Der dritte Tag begann früh. Die norwegische Ruhe lag noch über dem kleinen Ort, als wir unser Kameraequipment wieder im Kofferraum verstauten. Die Route führte uns zurück Richtung Süden – Dänemark rief. Unser Ziel war kein gewöhnlicher Lost Place, sondern ein Stück moderner Seriengeschichte: das verlassene Schwimmbad aus der Netflix-Serie „The Rain“.

Die Serie, produziert von Netflix und erstmals 2018 veröffentlicht, erzählt in drei Staffeln eine postapokalyptische Geschichte, in der ein tödlicher Regen Dänemark nahezu entvölkert. Gedreht wurde unter anderem in Kopenhagen, Randers, Roskilde – und eben in jenem leerstehenden Sport- und Schwimmbadkomplex, den wir nun ansteuerten. Besonders berühmt ist die Szene mit der „magischen Pflanze“, die sich scheinbar lebendig durch das verlassene Becken windet. Vor Ort wurde schnell klar: All das üppige Grün war reine Kulisse – Farn, Efeu und Ranken bestanden vollständig aus Plastik. Der Kontrast zur Realität des verfallenen Bades wirkte umso eindrücklicher.

Doch bis dahin lagen noch einige hundert Kilometer skandinavischer Straße vor uns. Irgendwo in Südschweden hielten wir an einem kleinen, glasklaren See. Die Sonne stand hoch, spiegelte sich auf der Wasseroberfläche, während wir auf einer Holzböschung saßen und klassische schwedische Zimtschnecken – Kanelbullar – aßen. Ein Moment voller Ruhe. Kein Drehort, kein Motiv, keine Zeit. Nur Sonne, Zimt und Stille.

Am Nachmittag erreichten wir schließlich den verlassenen Sportkomplex. Von außen wirkte das Gebäude noch immer funktional, doch innen breitete sich der Verfall aus. Fliesen blätterten ab, das Becken leer, die Tribünen verwaist. Trotzdem war da etwas Magisches. Vielleicht, weil wir genau wussten, dass hier Fiktion Realität geworden war. Hier wurde gefilmt, hier wurde erzählt, und nun waren wir mittendrin – als stille Beobachter nach dem Abspann.

Als wir das Gelände verließen, senkte sich die Sonne bereits über das flache dänische Land. Die Schatten wurden länger, das Licht weicher. Wir setzten unsere Fahrt fort – das Tageslicht schwand, doch die Neugier blieb.

Für die Nacht hatten wir ein ganz besonderes Quartier: ein altes Jagdhaus, das am Rand einer kleinen Stadt lag – ein Kontrast zur bisherigen Einsamkeit, aber nicht minder charmant. Knarrende Dielen, schwere Holztüren, vergilbte Vorhänge. Hier fanden wir zur Ruhe. Mit kaltem Bier in der Hand ließen wir den Tag ausklingen – und schauten, wie könnte es anders sein, „The Rain“. Es war seltsam vertraut, auf dem Bildschirm die Orte zu sehen, durch die wir Stunden zuvor noch selbst gestreift waren.

Tag 4-5

Feuer, Fassaden und der letzte Schluck Geschichte

Der Morgen begann mit Fahrtwind und Vorfreude. Wir verließen unser Jagdhaus am Rand der kleinen Stadt und machten uns auf, die dänische Hauptinsel Seeland zu erkunden. Auf halbem Weg, nicht weit von der berühmten Øresundbrücke, entdeckten wir die Ruine einer alten Fabrik. Vom Dach aus bot sich ein erhabener Blick: die Brücke schwebte wie eine silberne Linie über dem Meer, eine Verbindung zwischen Ländern, ein technisches Meisterwerk vor weichem Morgenhimmel.

Die Øresundbrücke ist mit ihren knapp 8 Kilometern Länge eines der größten Infrastrukturprojekte Europas. Sie verbindet Kopenhagen mit Malmö – zwei Länder, zwei Kulturen, ein Bauwerk. Doch unser Fokus lag auf der Fabrik davor. Leider war sie nahezu komplett niedergebrannt – nur noch verkohlte Stahlträger, rußgeschwärzte Wände und ein Geruch von Vergangenheit. Ein Ort, der einst pulsiert haben musste – nun still und ausgebrannt. Schade. Doch selbst die Leere hinterließ Eindruck.

Weiter ging es nach Kopenhagen, Dänemarks pulsierender Hauptstadt. Wir tauchten ein in die Altstadt, ließen uns durch Straßen und Gassen treiben, bestaunten die klare, fast nordisch-märchenhafte Architektur. Besonders das Rosenborg Castle zog uns an – ein Renaissance-Schloss mitten im Grünen, umgeben von gepflegten Gärten, in denen Einheimische flanierten, lasen, lachten. Einst errichtet von König Christian IV., beherbergt es heute die dänischen Kronjuwelen – für uns war es schlicht ein Ort zum Atmen und Beobachten.

Unsere Tour durch die Hauptstadt führte uns weiter an die kleinen Kanäle und Flussläufe, die sich durch die Stadt schlängeln. Dort aßen wir – ganz klassisch – dänische Hotdogs, serviert in den typischen rot-weißen Wägen. Schnell. Einfach. Köstlich.

Mit dem Einbruch der Dunkelheit zeigte Kopenhagen ein neues Gesicht. Die pastellfarbenen Fassaden leuchteten im Licht der Straßenlaternen, die Gassen wirkten geheimnisvoller, lebendiger. In einer dieser Gassen entdeckten wir einen verlassenen Laden. Staub auf der Fensterscheibe, Lichtreflexe im Glas – und dahinter: Regale, Produkte, Verpackungen. Alles noch da. Nur der Alltag fehlte. Es war, als hätte man die Tür eines Lebens einfach geschlossen und nie wieder geöffnet.

Unsere Unterkunft lag etwas außerhalb, doch die Zugverbindung war unkompliziert und schnell. Kopenhagen war gut organisiert – bis auf eine Ausnahme: die Toiletten am Bahnhof. Dort offenbarte sich die dunkle Seite der Großstadt. Spritzen, Fixerbesteck, muffiger Gestank – ein kurzer Realitätsbruch inmitten des Reiseflusses. Doch auch das gehört dazu. Nicht alles glänzt.

Am nächsten Morgen stand der letzte Ort unserer Reise auf dem Plan: die legendäre Carlsberg-Brauerei. Gegründet 1847 von J.C. Jacobsen, entwickelte sich Carlsberg zu einem der bedeutendsten Bierproduzenten der Welt. Das Gelände in Valby bei Kopenhagen ist heute teils Museum, teils Kulturareal. Herzstück: das berühmte Elefanten-Tor, erbaut 1901, flankiert von vier monumentalen Steinelefanten – Symbol für Stärke und Stabilität.

Neben historischen Braukesseln, alten Etiketten und Werbeschildern entdeckten wir auch viel zur Carlsberg-Stiftung, die bis heute Forschung und Kultur in Dänemark fördert. Ein gelungener, würdevoller Abschluss für unsere Skandinavien-Tour.

Doch es blieb kein langsames Ausklingen. Zurück in Deutschland wartete direkt der Alltag: Bestellungen aus unserem Onlineshop wollten gepackt werden. Kaum die Tür geöffnet, standen wir schon zwischen Prints, Kartons und Klebeband. Innerhalb weniger Stunden war alles bereit – und mit dem E-Scooter zur Post gebracht. Ganz im Flow. Keine Pause. Keine Klage.

Denn was bleibt von so einer Reise, ist nicht die Müdigkeit – sondern das Brennen. Für Orte, für Eindrücke, für das Erzählen.

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endstation

Dieser schaurig-schöne Autofriedhof befindet sich im schwedisch-norwegischen Grenzgebiet. Die Szenerie auf diese Autofriedhof ist geprägt von verlassenen Karosserien, von der Natur zurückeroberten Fahrzeugen und einer Aura der Vergänglichkeit. Rost und Verfall zeugen von den Jahren, die vergangen sind, und verleihen den Autos eine eigentümliche Schönheit. Inmitten dieser gealterten Fahrzeuge findet sich eine eigenartige Harmonie, eine kreative Anordnung, die den Ort zu einem Freiluftmuseum verlassener Automobilgeschichte macht. Die Autos, die einst stolz auf den Straßen rollten, werden hier zu Zeugen der Zeit. Ihre Formen und Linien erinnern an vergangene Modetrends und technologische Entwicklungen. Jedes Fahrzeug hat seine eigene Geschichte, von den ersten Meilen bis zu dem Moment, in dem es auf den Friedhof kam. Die Luft ist erfüllt von einer Mischung aus Motorenöl, Metall und einem Hauch von Nostalgie.

the rain has gone - picture

the rain has gone

Dieses verlassene Schwimmbad, das wir auf Seeland (Dänisch: Sjælland), der größten Insel Dänemarks, entdeckt haben, ist ein faszinierendes Relikt aus der Produktion der beliebten Netflix-Serie „The Rain“, die ihre letzte Staffel im Jahr 2020 ausstrahlte. Das ehemalige Schwimmbad war einer der wichtigsten Drehorte in der Serie, die post-apokalyptische Szenen in einer von einem tödlichen Regenvirus heimgesuchten Welt zeigte. Die atemberaubende Kulisse des Ortes, mit seinen verwitterten Wänden und dem verlassenen, halb unter Wasser stehenden Becken, passt perfekt zur düsteren, verfallenen Ästhetik der Serie. Die Struktur des Schwimmbades, das sich in einer abgelegenen Gegend befindet, ist heute ein faszinierendes Beispiel für die Spuren, die die Filmproduktion hinterlässt. In der Serie tauchte das Schwimmbad nur in einem bestimmten Teil der Handlung auf, wobei die obere Plattform nie im Bild war. Lediglich eine rostige Leiter, die hinauf zur oberen Ebene führt, war zu sehen. Auf der Plattform befand sich während der Dreharbeiten eine Lichtanlage, die den Ort in die passende, unheimliche Stimmung tauchte. Im verlassenen Zustand ist das Schwimmbad von einer surrealen Atmosphäre umhüllt. Alle Pflanzen, die auf dem Gelände zu sehen sind, sind künstlich und wurden von den Produktionsdesignern hinterlassen, um die post-apokalyptische Welt von „The Rain“ noch lebendiger zu machen. Diese Pflanzen, die einst zur Kulisse für eine zerstörte Welt gehörten, wirken nun wie ein seltsamer, stummer Zeuge der Serie und ihrer verlassenen Filmkulisse. Der gesamte Ort vermittelt eine gespenstische Ruhe, als ob die Zeit hier stehen geblieben wäre, nachdem die Dreharbeiten vor Jahren endeten. Obwohl der Ort mittlerweile von der Natur zurückerobert wird, sind die Überreste der Filmproduktion noch immer sichtbar. Die leeren, verlassenen Räume und das verfallende Schwimmbad erzeugen ein Gefühl von Vergänglichkeit und Nostalgie, besonders für Fans der Serie, die den Ort nun als eine Art „Realität gewordenen Set“ erleben können. Dieser Ort ist ein wahres Beispiel dafür, wie Filmsets nach dem Ende einer Produktion zu geheimen, unheimlichen Rückzugsorten werden, die ihre Geschichte und ihre Bedeutung aus der Serie für immer bewahren.